Ein Survivalguide für Autisten im neurotypischen Arbeitsdschungel (und noch sehr viel mehr...)
Autismusspektrumstörungen – besser: die Besonderheiten des Autismusspektrums –fordern dem gleichberechtigten Miteinander in der Gesellschaft einiges ab. Und zwar beiden Seiten (– auch wenn die Seite der Neurotypischen deutlich überrepräsentiert ist). Wenn es dann darum geht, eine der wichtigsten Elemente der Gegenwart (und auch der Vergangenheit und Zukunft) zu teilen, nämlich die Arbeitswelt als wichtigsten ökonomischen Faktor, so ist die Bereitschaft, sich auf ein Miteinander einzulassen, noch einmal geringer, wenn nicht sogar aussichtslos.
„Die“ Blodig ist meines Erachtens ein Meilenstein auf dem Weg zur Inklusion autistischer Menschen in alle Bereiche der neurotypischen Arbeitswelt. Für Autisten, gerade für solche, die ihre Diagnose erst spät bekommen haben, aber sicherlich auch für jüngere, ist das Buch „Hochfunktionale Autisten im Beruf“ ein wichtiges Nachschlagewerk, um ihr berufliches Ich zu unterstützen. So hilft es beim „Handling“ der Arbeitswelt und kann bei erweiterter Betrachtung auch auf andere Lebensbereiche angewendet werden. Dadurch wird der wertvolle pädagogische Ansatz noch mal nützlicher. Das Buch gibt inspirierende Gedankenanstöße, um für sich eine Antwort auf die Fragen zu finden: Wie bin ich – und was kann ich daraus machen?
Ich empfehle den autistischen Lesern, das Buch einmal im Monat für ca. eine Stunde in die Hände zu nehmen und darin zu lesen. Also einmal im Monat ein „Blodig-Repetitorium“ zur Festigung und Sicherstellung dieser nützlichen Hilfen, um so zu einer Art Selbstkonditionierung für das Überleben in eine NT-Arbeitswelt zu gelangen. Einer NT-Welt, in der Autisten sich zurechtfinden müssen/sollten. Aufgrund des besseren Verständnisses für sich selbst ist der Autist dann in der Lage, die NTs dabei zu unterstützen, ihn ebenfalls besser zu verstehen. Zudem gelingt es dem Autisten zunehmend, die NTs zu verstehen. Dass diese nämlich ihr eigenes Verhalten einmal aus Autistenperspektive betrachten und reflektieren, kann nicht vorausgesetzt werden. Blodig empfiehlt an dieser Stelle die Rollen der Buddys und Mentoren (von Unternehmen zu Unternehmen werden die Begriffe nicht einheitlich genutzt) als Inklusionsschnittstelle. Die Funktion dieser Beziehung sollte aber immer gleich sein, weil sie so ungeheuer wichtig ist: Mentoren erläutern, wer für was zuständig ist sowie interne Zusammenhänge jeglicher Art innerhalb des Betriebes, und wie die einzelnen Abläufe aufgeteilt sind. Zudem können durch einen intervenierenden Mentor oder Buddy Missverständnisse (aufgrund der unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen von Autisten und Nichtautisten) vermieden werden. Der Buddy übernimmt zudem die Begleitung bei der täglichen eigenen Arbeit wenn das in bestimmten Situationen erforderlich ist oder erscheint.
Ich selber hatte als „relativer Neueinsteiger“ regelmäßig Aha-Erlebnisse. So verdeutlichte mir zum Beispiel der Buchabschnitt über Bewerbungen, auf was ich beim Bewerbungsschreiben achten muss, um auf die Anforderung des jeweiligen Betriebs richtig Bezug zu nehmen. Schließlich denke ich nicht wie ein NT (und alle Bücher die ich gelesen und Seminare die ich besucht hatte sind nun mal auf NT´s ausgerichtet). Und mein Gegenüber im Bewerbungsgespräch denkt nicht wie ein Autist. Das wäre wohl zu viel erwartet, obwohl es sich um die Leistungsträger unserer Gesellschaft handelt. Was ich aber verstanden habe ist: Neurotypische Kollegen und vor allem Vorgesetzte richtig zu „lesen“ sollte für mich eine ernstzunehmende Aufgabe werden, denn alles, was vom Neurotypischen abweicht, kann sich negativ für mich auswirken. Bleibt der Wunsch, dass auch die Neurotypischen es als eine wichtige Herausforderung ansehen, sich in die Welt eines Autisten einzufühlen…
Mit anderen Worten:
Blodig ist Punkt für Punkt ein Treffer. Absatz für Absatz ein autistischer Hochgenuss.
Ein Survivalguide für den neurotypischen Arbeitsdschungel und noch sehr viel mehr... .